Erzählungen von Nahtoderfahrungen finden sich in der Literatur, sie scheinen auch in unterschiedlichsten Kulturkreisen vorzukommen und scheinen daher ein weit verbreitetes Phänomen zu sein. Auch Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen beschäftigen sich mit dem Thema.

Die Erforschung der Nahtoderfahrung – unterschiedliche Positionen

Eine Nahtodererfahrung wirft gemessen am Begriff «Nahtoderfahrung» Fragen nach dem Tod auf. Es handelt sich dabei immer um eine Erzählung einer Person, die von einer solchen Erfahrung im Nachgang berichtet. Betroffene sind mit dem Thema Tod und Sterben durch dieses Erlebnis konfrontiert worden. Es ist daher nur mehr verständlich, dass sich die Frage nach dem Wahrheitsgehalt stellt: Ist ein Nahtoderlebnis ein Hinweis darauf, dass es ein Leben nach dem Tod gibt? Wie muss das Nahtoderlebnis infolgedessen gewertet werden? Was bedeutet es für die eigene Person, für das Individuum? Können durch diese Erfahrungen für die Gesellschaft allgemeingültige Antworten abgeleitet werden?

Die Wissenschaft kann sich nur über die Berichte von Personen nähern – und kann kaum die eigentliche Erfahrung zum Zeitpunkt des Auftretens erforschen. Es gibt Versuche hierzu, allerdings kann die eigentliche Untersuchung nur mit Hilfe des Berichts erfolgen. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesen Berichten können dabei unterschiedliche Positionen einnehmen und damit verknüpfte Forschungsfragen verfolgen. Die Einteilung dieser Positionen geht auf den deutschen Soziologen Hubert Knoblauch zurück (Knoblauch 1999).

  1. Religiöse Positionen: In religiös-ontologischen Positionen beschäftigt man sich damit, inwiefern Berichte von Nahtoderfahrungen über ein Leben nach dem Tod aussagen kann. Beispielsweise kann aus Sicht einer parapsychologischen Disziplin postuliert werden, dass Nahtoderfahrungen ein Beweis für ein «endloses Bewusstsein» und damit ein Beleg für die Unsterblichkeit der Seele sein muss. Aus theologischer Sicht können Berichte von Nahtoderfahrungen die Wahrhaftigkeit Gottes beweisen.
  2. Naturwissenschaftliche, skeptische Positionen: Die Naturwissenschaft geht davon aus, dass Körper und Geist untrennbar miteinander vereint sind. Aus dieser Logik heraus ergibt sich auch, dass religiöse Erklärungen im Grunde genommen ausgeschlossen sind. Es wird davon ausgegangen, dass es rationale Erklärungen für das Phänomen geben muss, die gegebenenfalls einfach noch nicht erforscht sind. Man nimmt häufig an, dass zum Beispiel biochemische Reaktionen und Sinneswahrnehmungen Visionen im Rahmen einer Nahtoderfahrung provozieren können. Es kann auch aus sozialanthropologischer Sicht argumentiert werden, dass Zustände wie sie in Berichten von Nahtoderfahrungen geschildert werden, in andern Kulturkreisen ohne jeglichen Bezug zu einer Todesgefahr bestehen muss und daher Nahtoderfahrungen auch keine Aussage über einen Sterbeprozess machen können.
  3. Wertfreie, neutrale Positionen (agnostisch): Der Fokus kann sich auf die soziale oder psychologische Bedeutung von Nahtoderlebnissen beziehen. Die Frage nach einer Bestimmung einer Existenz eines Jenseits lässt diese Position bewusst offen. Viel mehr kann von Interesse sein, inwiefern Nahtoderfahrungen traumatische Ereignisse sein könnten, welche Ereignisse darüberhinaus in der Biografie der betroffenen Personen dabei in Zusammenhang stehen können.

«Neutralität» und „Transparenz“ in der Forschung

Somit ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung insbesondere bei wissenschaftlich noch nicht ausführlich untersuchten Phänomenen wie das der Nahtoderfahrung der persönliche Bezug des Forschers von grosser Wichtigkeit. Die religiöse oder anti-religiöse Haltung des Forschers kann bei unterschiedlich interpretierbaren Sachverhalten einen wesentlichen Einfluss haben. Auch wenn man sich einig ist, dass eine ausschliesslich objektive Deutung ausgeschlossen ist, steht der persönliche Bezug bei Themen wie Religion und persönliche Überzeugung im Hinblick auf wissenschaftlich nicht abschliessend erklärbare Themen besonders im Zentrum.

Aus diesem Grunde ist die transparente Dokumentation der Forschungsergebnisse eine der ausschlaggebenden Qualitätsmerkmale: Zu welchem Thema wurden welche Personen befragt, was ist der kulturelle Hintergrund der Befragten, was waren die äusseren Umstände des Interviews, wie, wann und wo wurden die Interviews erfasst (z.B. Fragebogen mit vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten oder persönliche Interviews).

Die hier im Rahmen des Forschungsprojekts erstellte Website beschäftigt sich mit der neutralen Sichtweise auf das Phänomen. Es ist ein Anliegen, die Berichte der Betroffenen ernst zu nehmen und keine fest gelegte Interpretation vorzugeben. Im Zentrum stehen die Betroffenen und ihre Erlebnisse, wobei deren Hintergründe und die Umstände des Erlebnisses ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.